Homefront: Home, Sweet Home - von wegen! Bild: THQ

Homefront: Home, Sweet Home - von wegen!

Der Egoshooter für Hartgesottene versetzt Spieler hautnah in Amerikas schlimmsten Albtraum.

THQ rührt für Homefront kräftig die Werbetrommel und brüstet sich mit dem Realismus des selbstentworfenen Zukunftsszenarios. Denn während man bei anderen Shootern in der Regel gegen fiktive Aliens oder die Armeen eines frei erfundenen Tyrannen kämpft, hat das Böse hier einen konkreten Namen.

Angeblich, so eine offizielle Stellungnahme, habe man mit einem ehemaligen CIA-Agenten zusammengearbeitet, dessen Hintergrund natürlich nicht preisgegeben werden dürfe. Beklemmend nah an der Wirklichkeit wirkt schon das Intro von Homefront, was an den authentisch inszenierten Nachrichtenbildern liegt, welche Nordkorea als Aggressor zeigen.

Auch die Protagonisten sind aus dem wahren Leben gegriffen: Kim Jong-Un, der tatsächlich existierende Sohn des nordkoreanischen Staatsoberhauptes Kim Jong-Il wird – und ab hier gerät die Handlung vom Konkreten in eine düstere Zukunftsmalerei – Nachfolger des Diktators. Der in punkto Größenwahn äußerst ambitionierte Sprössling annektiert Südkorea und andere asiatische Staaten, um schließlich als Herrscher über die „Großkoreanische Republik“ im Jahr 2027 über das von Wirtschafts- und Energiekrise in die Knie gezwungene Amerika herzufallen.

Schon die erste Szene zeigt, dass der Kampf an der US-amerikanischen Heimatfront nichts für schwache Nerven ist: Bei unserer Bus-Reise als Gefangener der Koreaner sehen wir beim Blick aus der Fensterscheibe wie eine Leiche so unachtsam weggeworfen wird wie ein Müllsack, die Exekution von Rebellen und ein Kleinkind, das weinend mit ansehen muss, wie seine Eltern von koreanischen Soldaten erschossen werden.

Nach einem Crash wird der Spieler von amerikanischen Widerstandskämpfern befreit  und schließt sich diesen an. Im Verlauf des Spiels erfährt man immer mehr über die deprimierenden Zustände im besetzten Amerika – und über die Rebellen, die sich in einen verlassen geglaubten Vorort zurückgezogen haben, um in diesem Refugium einen letzten Rest Normalität mit ihren Familien erleben zu können, bevor es in die nächste Schlacht geht.

Feind im Land statt Feindesland

Graphisch, das sei gleich vorweg genommen, kann Homefront nicht mithalten mit Referenztiteln wie Call Of Duty: Black Ops. Das ist allerdings die einzige schlechte Nachricht, denn das Game punktet stattdessen mit Atmosphäre, Storytelling und Multiplayer-Modi.

Die New Yorker Spieleschmiede Kaos Studios macht ihrem Namen alle Ehre und zeichnet ein bis ins letzte Detail stimmiges Bild eines in Chaos versunkenen Amerika – von den Graffitis mit Aufrufen zum Widerstand an den Wänden der Ruinen über die verlassenen Hinterhöfe, in denen Spielsachen als stumme Zeugen an schönere Zeiten erinnern, bis zu den kleinen Szenen mit „Statisten“, die sich im Hintergrund abspielen und der virtuellen Welt Leben einhauchen.

Auch der Ton unterstützt die düstere Stimmung vortrefflich, zum einen Dank des dramatischen Soundtracks, zum anderen durch Geräuschkulissen wie das Bellen streunender Hunde aus der Ferne oder Hubschrauberrotoren, die in Dolby Surround plastisch über den Kopf des Spielers wandern.

Die Story der Einzelspieler-Kampagne stammt aus der Feder des Drehbuchautors John Milius (Apocalypse Now, Conan der Barbar und Red Dawn). Selbst die Ladezeiten werden verkürzt durch den Versuch, die Zocker tiefer in eine ultrarealistische Zukunftsvision zu ziehen – indem Bilder wie aus Nachrichtenagenturen und Zitate fiktiver Zeitzeugen eingeblendet werden.

Wo viel Licht ist…

Licht und Schatten sind ebenfalls gelungen inszeniert (vom Schatten der Äste auf dem Gartenzaun über die klaustrophobisch-dunklen Geheimtunnel bis zu den Explosionen und Bränden) – auch wenn man im Eifer der Gefechte wenig Zeit haben wird für apokalyptisches Sightseeing. Davon halten einen nämlich die mit einer erschreckend cleveren K.I. ausgestatteten Feinde ab, die von allen Seiten kommen und jede Menge Granaten mitbringen. Wer überleben will, muss also lernen, die zerstörte Infrastruktur für sich auszunutzen – so eignet sich die Sitzreihe eines abgestürzten Flugzeugs bestens als Schutzschild. Und was für den FC Bayern gut ist, ist auch bei Homefront eine clevere Strategie für den Sieg: Robben. Nur wer sich gelegentlich in die Asche der verbrannten Städte wirft, entgeht dem Kugelhagel.

Das klassische Shooter-Gameplay wird erfreulicherweise um einige Ideen bereichert. So kann man beispielsweise vom sicheren Versteck aus ein ferngesteuertes Fahrzeug namens Goliath bedienen, um ohne Gefahr fürs eigene Überleben die gepanzerten Fahrzeuge des Gegners zu attackieren. Ebenfalls spannend gestaltet es sich, als Infanterist  Wachtürme anzugreifen. Es gilt dabei, sich außerhalb deren das Gebiet absuchender Lichtkegel zu bewegen, um sie mit einem präzise gezielten Granatenwurf auf ihre einzige Schwachstelle (den Gastank) zu zerstören.

Mutiplayer mal so richtig

Viel Wert gelegt wurde auf den Onlinemodus. Wie von anderen Titeln gewohnt, kann man vor der Schlacht Kampfkraft-Tuning betreiben und Waffenanbau, Tarnung, Spezialsprengstoff und besondere Fähigkeiten individuell gestalten. In der Schlacht kommen dann in diversen, teils sehr originellen Modi, sowohl Infanterie als auch Fahrzeuge zum Einsatz. Besonders stolz sind die Macher darauf, dass Homefront einer der wenigen Konsolentitel ist, bei der 32 Spieler gleichzeitig auf dem Online-Schlachtfeld stehen können.

Wer sich nicht daran stört, dass Homefront dank seines Realismus-Anspruchs bisweilen wirkt wie eine Auftragsarbeit in Sachen Anti-Korea-Propagandaspiel, wird die Mischung aus epischer Story und Ballereinlagen zu schätzen wissen. Das ideale Spiel für alle, denen die Call-Of-Duty-Reihe zu wenig Handlung und Fallout zu wenig Action bot.



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Details

  • Titel: Homefront
  • System: PC, PS3, Xbox 360
  • Genre: Ego-Shooter
  • USK: Keine Jugendfreigabe
  • Release: 15.03.2011
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